Über falsch verstandene Gastfreundschaft in Restaurants
Viele Jahre sind vergangen, seit ich diesen wunderbaren Sketch „Schmeckt‘s“ von Loriot zum letzten Mal gesehen habe. Doch als ich mir eine passende Überschrift zu diesem Beitrag überlegte, da erinnerte ich mich wieder. Köstlich, wie der Meister des feinsinnigen Humors Alltagssituationen in geradezu genialer Weise widerspiegelt. Seine Sketche sind jedoch nicht nur lustig, sondern auch zeitlos wahr.
Gerade am letzten Wochenende, da ist es wieder passiert. Wir waren in einem zauberhaften Restaurant im Kraichgau und wollten uns genüsslich aufs Wochenende einstimmen. Die Weinkarte war kennerhaft zusammengestellt, das Menü schien für einen Freitag Abend nicht zu schwer und die Beratung agierte freundlich und kompetent. Da meine Frau und ich uns die ganze Woche nicht gesehen hatten, gab es viel zu berichten und zu erzählen.
Kaum dass der Wein eingeschenkt war, die Bestellung aufgegeben und wir unser Gespräch begonnen hatten, kam auch schon die Unterbrechung Nummer eins: „Alles recht so bei Ihnen?“ fragte die freundlich-resolute Bedienung und verharrte erbarmungslos am Tisch, bis wir ihr mit Blickkontakt versicherten, dass als in bester Ordnung sei. Nummer zwei folgte wenige Minuten später: „Noch etwas Wasser, der Herr?“ Mit einem kurzen Nicken versuchte ich, den Gesprächsfaden nicht zu verlieren, in der Hoffnung nun ungestört zu bleiben, doch weit gefehlt. „Und die Dame? Noch etwas Wein?“ Wir unterbrachen unser Gespräch erneut, während die Bedienung zum Weinkühler ging, den Wein unter einem fachmännischen „Soooooo“ nachschenkte und dann schließlich in Richtung Küche abging…
Sie merken, worauf ich hinaus möchte? Gut. Ich werde Ihnen den restlichen Verlauf in diesem Restaurant ersparen. Es war eine einzige Katastrophe! Mit dem Feingefühl eines Nilpferds unterbrach uns fortan jene Bedienung im Wechsel mit ihrer Kollegin und nahm uns unter Dauerbeschuss. Einzelne Gänge wurden angesagt, Wein wurde nachgeschenkt, Besteck wurde nachgelegt (nichts davon blieb unkommentiert) und zwischendurch kam immer wieder die Nachfrage, „ob es denn auch schmecke“. Wir verzichteten auf das Dessert, zahlten und verließen fluchtartig die Stätte des Grauens. Schade, das Essen war nämlich gut.
Leider ist dies kein Einzelfall. Viel zu oft bewegt man sich als Gast zwischen zwei Extremen. Entweder wird man von studentischen Aushilfen bedient, die vor allem durch Unkenntnis oder Desinteresse glänzen und mangels Training einfach keinen Blick für leere Gläser oder für Gäste haben, die nach 20 Minuten Wartezeit endlich ihre Bestellung loswerden wollen. Oder aber der Service arbeitet mit der Sensibilität einer Dampfwalze.
Liebe Gastronomen und Servicemitarbeiter: Wir Gäste wissen bestimmt einen freundlichen und aufmerksamen Service zu schätzen. Aber wenn die Getränke bestellt und der erste Gang serviert ist, dann sollten die so häufig zitierten Softskills zum Tragen kommen: Suchen die Gäste Augenkontakt mit dem Service? Nein? Dann lassen Sie Ihren Gast in Ruhe! Hat das verliebte Pärchen nur Augen für einander? Sind die Gäste im Gespräch vertieft? Dann bitte, bitte unterbrechen Sie sie nicht! Besteck kann man auch diskret und unkommentiert nachlegen, Gläser können schweigend nachgeschenkt – und leere Brotkörbe dürfen in solchen Fällen auch ohne explizite Rückfrage aufgefüllt werden. Nichts ist angenehmer, als eine professionelle Bedienung, die diskret und einfühlsam arbeitet und ein intuitives Gespür dafür entwickelt, was der jeweilige Gast gerade wünscht – Wein, Wasser, die Rechnung oder eben ungestört mit seinem Gegenüber reden zu können. Und wenn eine Rückfrage unbedingt erforderlich ist (z.B. weil der Wein ausgetrunken – oder in der Küche ein Produkt ausgegangen ist), dann schadet es auch nichts, wenn Sie sich beim Gast für Ihre Unterbrechung einmal entschuldigen.
Ach ja, wo wir schon beim Thema sind: Die Ansprache in der dritten Person sind ist nicht nur unzeitgemäß sondern auch unfreiwillig komisch. „Der Herr noch etwas Butter?“ „Die Dame noch einen Espresso?“ Nein, wirklich nicht! Sprechen Sie uns doch einfach direkt an. Schließlich sitzen wir direkt vor Ihnen. Ein freundliches „Kann ich Ihnen noch einen Espresso bringen?“ ist deutlich charmanter, persönlicher und herzlicher.
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