SPARGELWEIN? GIBT’S NICHT. ABER WEIN ZUM SPARGEL GIBT’S. MAL DIESEN, MAL JENEN – JE NACH REGION UND GERICHT
von Otto Geisel
In Wahrheit ist’s ja ein Fall von Etikettenschwindel. Denn wenn auf einer Weinflasche „Spargelwein“ draufsteht, ist trotzdem einer aus Trauben drin. Und keiner aus Spargel. Im Gegensatz zum Apfelwein, den gibt’s ja tatsächlich. Und wenn schon Spargel in flüssiger Form, dann Spargelschnaps…
Aber egal. Wer ihn erfunden hat, den Spargelwein, ist nicht geklärt. Irgendein Gastronom wird’s wohl gewesen sein, der einst die Idee hatte, seinen Haus- und Hofwinzer zu bitten, extra für die Spargelzeit und extra für seinen Betrieb eine Sonderabfüllung mit einem entsprechenden Etikett aus dem Keller zu zaubern. Ein nicht unorigineller PR-Gag, der aber seltsame Blüten treibt. Denn was heute als Spargelwein angepriesen wird, ist allzu oft eine irre- führende Marketing-Formel. Viele große Weinproduzenten versu- chen, mit oft kitschigen Spargel-Etiketten Weißwein-Cuvées zu verkaufen, die außerhalb der Spargelzeit nur für die Resterampe geeignet wären.
Wollen wir hier also über Wein zum Spargel reden. Also über Weinbegleitung, und die hängt einerseits von der jeweiligen Region ab, andererseits von der Art der Spargel-Zubereitung.In Franken, wo man auf grobe Bratwurst zum feinen Spargel schwört, eine eigenwillige Kombination, die außerhalb dieser Region gerne für Stirnrunzeln sorgt, ist der Silvaner der denkbar beste Begleiter. In Ausnahmefällen darf es auch eine trocken aus- gebaute Scheurebe, der fränkische Sauvignon, sein. Im großarti- gen Restaurant „Steirereck“ im Wiener Stadtpark schenkt man wiederum bevorzugt Weißburgunder, und zwar aus der Steier- mark aus, während die Wachauer Wirte vor den Toren Wiens gern zum lokalen Grünen Veltliner tendieren.
In Südtirol führt die oft mächtige Bozener Sauce den Spargel gedanklich in die Region um Terlan, wo der wohl beste Südtiroler Spargel seine Heimat hat. Leicht nachzuvollziehen, dass dem Gast hier vor allem der Terlaner Wein, sei’s als Weißwein-Cuvée „Klassischer Terlaner“ oder der hier unter besten Bedingungen reifende Sauvignon, empfohlen wird. Auf Sardinien, wo bereits im Februar in der Berglandschaft unterhalb von Olbia der wilde Spar- gel sprießt, bereichert dieser mit seinen Bittertönen die wie ein Risotto zubereitete „Fregola sarda“ und passt somit ganz hervor- ragend auch zu nicht zu schweren Rotweinen. In der piemontesi- schen Rotweinregion Langhe rund um die Weinnamen gebenden Orte Barolo und Barbaresco findet man in den Osterien eine Grün- spargel-Kreation als eine Art „Carbonara mit Maltagliati“, wobei auch hier der lokale Rotwein aus der Nebbiolo-Rebe als Wein zu Spargel begeistert.
In Paris, im exzellenten „Bistrot Benoît“ von Alain Ducasse, serviert man den weißen Spargel aus der Provence mit „Sauce maltaise“, einer Mousseline mit Orangen-Reduktion, also mit süßen Noten. Wozu eine nicht zu restsüße, gereifte Spätlese von der Mosel bestens passt. Auch ein nicht zu junger Jahrgangs-Champagner kann diese Komposition sanft umschmeicheln.
Zum Spargel mit Butterbröseln „auf polnische Art“ gesellen sich, wie bei allen von guter Butter geprägten Spargelgerichten, also auch bei der „holländischen Variante“ mit der Allzweckwaffe „Sauce hollandaise“, durchaus gerne gereifte Gewächse aus Meursault, die sich bei entsprechender Reife mit zart buttrigen Tönen anzuschmiegen wissen. In diesem Sinne: Auf den Spargel!
Erschienen im Gault&Millau Magazin 5/2022 © – Lust auf Genuss
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→ Otto Geisel im Internet: Institut für Lebensmittelkultur